No XV: Konzept-Pep

Konzept-Pep

Formen von Unterbrechung der konditioniert medialen Nachverfolgung und Auflösung von Wiederholungsmöglichkeiten zeitgenössischer Live-Musik

Die anziehende Wirkung von Popmusik in all ihrer Emotionalität und Eingängigkeit, ihrer Möglichkeit zur individuellen Identifikation der Interpretierenden als auch der Identifikation mit den auf eine große Grundgesamtheit anwendbaren Inhalten und den beliebig oft wiederholbarem Rückgriff der Selbigen mit Hilfe digitaler und analoger Medien ist unumstritten. Jedoch finden sich Konzepte, die diese Kategorien auf gekonnt subversive Art aufbrechen. Vorreiterfunktion in einer ungewöhnlichen Art von Bandkonzept zu agieren ist eine Berliner Band, die als Gründungsmutter des sogenannten Konzept-Pep zählt.

Schon wird der Musikkonsumierende daran gehindert sich seinen gewohnten Erinnerungsmechanismen zu bedienen, da sich diese Band keines einheitlichen Bandnamens bedient. Der Name -wie auch der gesamte Programminhalt- wird nämlich dem aktuellen Anlass angepasst, woraus sich die stilistische Einordnung des Konzept-Pep schon im Ansatz begründet. Würde eine vom eingängigen Sound der Band hingerissene Konzertbesucherin sich also im Nachklang des Live-Erlebnisses auf die Suche nach weiterem Material oder Infos zu dieser Gruppe machen, würde lediglich und maximal ein Hinweis auf genau selbiges, bereits beigewohntem Konzerterlebnis resultieren. Eine erzwungene Rückkopplung auf das selbst Erlebte im Gegensatz zur Befriedigung im medialen Stalking. Zwar kann die Konzertbesucherin ihre Erlebnisse in sozialen Netzwerken teilen, jedoch verpuffen Verlinkung und Hashtag durch die fehlende Webpräsenz und Einmaligkeit der Namensgebung im ewigen Vorbeiziehen des Kommentar-oder Instastoryflusses.

Nur einige Versierte erahnen das Kollektiv lediglich anhand des im Lineup -neben anderen vielleicht leichter zu assoziierenden acts – völlig neuem, aber auf eine bestimmte Art und Weise eigentümlichen und dem Event oft untypischen Bandnamen, wie es z.B. mit der Band „Pimmelbett“ auf dem Wumms-Openair 2020 der Fall war. Hier war ein Einschlafprogramm gewünscht und der Vater der Band als Gastmusiker geladen, worauf auch der maskuline Anteil des Bandnamens verweist.

Das sich als reines Live-Projekt verstehende Kollektiv recherchiert jeden Anlass, der von Geburtstagkonzert zu Festivalgig so unterschiedlich wie die in ihm auftauchenden Musikstile sein darf, um dann explizit für die Einladenden relevante Themen zugeschnittene Texte zu schreiben und somit auch eine Identifikation für alle dem Event beiwohnenden Zuschauer zu kreieren.

Die sich sofort einstellende Assoziation das Pep aus „Konzept-Pep“ mit Pop zu verbinden ist grundliegend richtig. Da Pop an sich und aufgrund der oben genannten Merkmale jedoch als Grundrichtung nicht hinreicht und die Band diese Merkmale zwar aufgreift, jedoch aufbricht und individuell abwandelt reicht Pop als Begrifflichkeit nicht aus und muss zum Pep erweitert werden. Nicht das Popmusik nicht peppig zu sein vermag, eher verleiht die konzeptionelle Arbeitsweise der Gruppe dem Pop das gewisse Etwas. Diesem Etwas wohnt ein Mehr an Stringenz, Sinnhaftigkeit und Abgeschlossenheit im Gesamtaufbau der einzelnen Projekte inne. In der jeweils einzigartig und bewusst gewählten Kombination aus Anlass, Kostüm, Name, Musikstil, Text und Konstellation begründet sich die Konzeption in jeder ästhetischen Verknüpfung.

Wie sich schon des Öfteren im anschließenden Gespräch am Tresen nach dem Konzert herausstellte, eröffnet der Pep aber auch noch viele weitere Ebenen der Rezeption und bietet der Zuhörerin dann im Nachklang, während die hitartigen Ohrwürmer noch durch ihre Gehirnwindungen gleiten, ein weit verzweigtes und tiefgründiges Feld an Blickwinkeln und eröffnet bisher unbewusste Details über den Moment, in welchem sich selbige gerade befindet.

Dass die Gruppe nur aus Frauen besteht, ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr als Alleinstellungmerkmal zu bewerten. Auch wenn sich die ausschließlich weibliche Besetzung der Gruppe als nähere Eigenschaft eignet, da sich schon ein einheitlicher Name, Stil oder feste Zusammensetzung als Solches entbehren, sind in den Line-Ups heute weibliche Besetzungen keine Seltenheit mehr. Betrachtet man jedoch die Zahlen der female:pressure facts Umfragen für deutsche Festivals wird deutlich wie klein der Anteil im Gesamtaufkommen noch ist. Festivalpromoter begründen dies mit dem einfachen Argument des Angebots, also des ihren qualitativen Ansprüchen genügenden Marktanteils. Betrachtet man also alle Bands, die schon allein von dieser Gruppe in ausschließlich weiblicher Besetzung gebildet wurden (nämlich so viele wie sie Auftritte hatten, wir sprechen hier von einer Zahl von ca. 150) macht dies natürlich einen für eine Band zahlenmäßig einmalig großen Anteil im Gesamtangebot der aktuellen Livemusik (und dies außerhalb der gängigen roster) aus. Konzept-Pep wird kommen so viel ist klar.